Regeln? Gelten nicht.

Der Internationale Sportsgerichthof hat Fußballclub Manchester City von einer zweijährigen Wettbewerbsstrafe der UEFA freigesprochen. Und statt 30 Millionen Euro Strafe muss der Verein nur noch 10 Millionen zahlen. Wir wissen also: Der Fußball ist ganz klar in guten Händen!

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Die Entscheidung der europäischen Fußballbehörde UEFA schlug im Februar ein wie eine Bombe: Manchester City, einer der reichsten und erfolgreichsten Fußballclubs Europas, sollte zwei Jahre aus der Champions League ausgeschlossen werden.

Der Grund: „Schwerwiegende Verstöße“ gegen die Financial Fair Play-Regeln der UEFA. Diese Regeln sehen vor, dass Clubs nicht mehr Geld ausgeben, als sie auf natürlich Weg einnehmen – dass Clubs also NICHT von Oligarchen oder Petro-Dollars an die Spitze gespritzt werden.

Es war die erste wirklich harte Strafe gegen einen Spitzenverein. Zwei Jahre ohne die „Königsklasse“ – das bedeutet für einen Verein Imageverlust, Einnahmenverlust in Millionenhöhe, und Spieler, die wie Ratten das sinkende Schiff verlassen.

Schon am Tag der Bekanntgabe der Strafe wussten Fußball-Beobachter: Dass diese Strafe tatsächlich so durchgesetzt wird, ist unwahrscheinlich. Doch was der Internationale Sportgerichtshof heute geurteilt hat, ist ein noch heftigerer Schlag ins Wasser, als zu vermuten war.

Denn laut CAS hat Manchester City zwar wohl gegen die Financial Fair Play-Regeln verstoßen – nur halt nicht so schlimm wie gedacht! Ach, sowas!

Der Internationale Sportsgerichthof, der schon in anderen Financial Fair Play- und Doping-Fällen höchst zweifelhaft geurteilt hat, hat wieder mal bewiesen: Wo genug Kohle dahintersteckt, müssen Konsequenzen nicht befürchtet werden.

Financial Fair Play, einst als Heiland und Retter des Fußballs gefeiert, ist damit also auch offiziell tot. Wer nur eine läppische 10-Millionen-Strafe zu befürchten hat, hat in Zeiten von Transfersummen von weit über 100 Millionen Euro nämlich überhaupt nichts zu befürchten.

Corona Tracing

Ab heute gibt es die Corona-Tracing-App in Deutschland, im Laufe des Vormittags stellt die Bundesregierung den digitalen Heilsbringer offiziell vor. Wie funktioniert das Teil? Ganz einfach: Alle Smartphones, auf denen die App installiert ist, tauschen via Bluetooth ein verschlüsseltes Signal aus. Erkrankt man an COVID-19, trägt man dies in die App ein – und alle Handys, die in einem bestimmten Zeitraum mit dem des Erkrankten in Kontakt waren, werden alarmiert. (Starkes FAQ auch in der Süddeutschen Zeitung von Simon Hurtz).

Klingt gut! Klar, die App kommt etwas spät, aber damit bremsen wir die Pandemie endgültig aus! Oder?

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Ganz so einfach ist es nicht. Die Tracing-App muss nämlich noch ein paar Hürden überspringen. Die vielleicht höchste? Überhaupt installiert zu werden.

Dafür wird die Regierung Millionen in Marketing-Zeugs investiert haben. Die nächsten Tage wird das blau-rot-weiße Corona-App „C“ euch überall begegnen, you heard it here first. Und in den App-Stores wird die App wohl ganz oben stehen, das hat der SPIEGEL herausgefunden, vor Instagram, Tinder & dem Farming Simulator 14 (why the fuck ist das so hoch geranked im App Store?`)

Nur: Wer die vergangenen Wochen durch Deutschland gestreift ist, weiß genau, dass für viele Deutsche Corona längst aus dem Kopf ist. Wer wirklich glaubt, die Landwehrkanal-Raver seien Tracing-App-Material, lebt irgendwo. Aber nicht in der Realität.

Noch ernster könnte aber sein, dass niemand weiß, ob die App überhaupt wirksam ist. Wissenschaftlich ist das laut Eva Grill, der Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie, nämlich nicht bewiesen. In Ländern, in denen es bereits Apps gibt (Australien oder Singapur, zum Beispiel), fallen die Ergebnisse nämlich ziemlich ernüchternd aus.

Auch die deutsche App setzt die sogenannte doppelte Freiwilligkeit voraus: Freiwillig downloaden UND freiwillig eintragen, wenn man infiziert ist. Einem Volk, das seit Wochen den Weg aus dem Lockdown fordert, obwohl es nie einen Lockdown gab, so viel soziale Verantwortung aufzutragen – mehr als gewagt.

Die Angst davor, was am Ende mit deinen Daten passiert und wie sehr Bewegungen überwacht werden, steht dabei auch noch im Raum. Der größte Kritikpunkt, die Frage ob die App Open Source ist, wurde gelöst. Unter bester Moderation von @netzpolitik.

Wumms ins Nichts

Für eine „echte Überraschung“ hätte die Regierung mit ihrer Mehrwertsteuersenkung gesorgt, schrieben ein Großteil der Medien zum Corona-Konjunkturpaket. Und ja: Wirklich damit gerechnet hatten wohl die wenigsten.

Die Überlegung: Weniger Mehrwertsteuer, billigere Ware, die Kunden kaufen mehr. Logisch! Heißt: Wir alle sind bei diesem Konjunkturpaket die großen Gewinner. Oder?

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Ab dem 1. Juli sinkt also die reguläre Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent, die ermäßigte von 7 auf 5 Prozent. Damit will die Regierung also eine „Stärkung der Binnennachfrage“ herbeiführen, so steht es wortwörtlich im Regierungsbeschluss. Wie absurd das ist, dafür reicht ein Blick auf ein Alltagsbeispiel:

Wer also für einen Wocheneinkauf 100 Euro ausgibt, spart sich im zweiten Halbjahr 2020 ganze drei Euro pro Woche. Macht nach sechs Monaten knapp 72 Euro! Und klar: Diese drei Prozent können für einige Menschen entscheidend sein. Aber kurbelt man damit die Konjunktur wieder an? I doubt it.

Es gibt aber noch ein zweites Problem: Denn sogar wenn die gesparte Mehrwertsteuer genug wäre, es gibt keine Garantie, dass sie bei den Kunden überhaupt ankommt. Oder hat die Regierung vergessen, dass die Unternehmen unter der Coronakrise auch ziemlich gelitten haben? Dass deren Zahlen gerade auch eher rot als schwarz sind?

Oder anders gefragt: Welches Unternehmen wird die Mehrwertsteuersenkung wirklich an die Kunden weitergeben und nicht in die eigene Tasche stecken?

Übernehmt endlich Verantwortung!

Die FC Bayern München-Spieler Joshua Kimmich und Leon Goretza wegen der Coronakrise spenden eine Million Euro an soziale und karitative Einrichtungen. Der NBA-Basketballer Zion Williamson zahlt die Gehälter der Stadion-Mitarbeiter seines Vereins, der New Orleans Pelicans.

Zwei Beispiele von Sportlern, die wissen: Wir, mit unseren Millionengehältern, sind nicht die, die wegen des Coronavirus‘ Existenzangst haben müssen.

Dass Kimmich, Williamson & Co. jetzt finanziell aufkommen, ist also nur richtig. Wer so viel Geld verdient, kann anderen ja jetzt auch helfen. Right?

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Nicht falsch verstehen: Was die Sportler machen – tolle Initiativen. Nur: Es sollten nicht ein 19-Jähriger (Williamson) und zwei 25-Jährige (Kimmich, Goretzka) an der Speerspitze stehen müssen.

Ja, Zion Williamson verdient in dieser Saison etwas mehr als neun Millionen Dollar. Aber er ist Jahrgang 2000, seit sechs Monaten Profi. Why the fuck zahlt nicht Team-Besitzerin Gayle Benson die Gehälter ihrer Angestellten? Gayle Benson, die NBA- & NFL-Teambesitzerin mit einem Vermögen von 3,2 MILLIARDEN Dollar?

Warum spendet der FC Bayern München nicht eine Million Euro für soziale Einrichtungen? Warum heult dieser Verein, der 2019 einen Jahresumsatz von 750 Millionen gemacht hat und auf einem sagenumwobenen Festgeldkonto hockt, wegen verpasster Ticketeinnahmen?

Und um nicht nur auf die Bayern zu kloppen: Die beiden Mega-Clubs aus Manchester, United und City, haben der local foodbank nette 100 000 Pfund gespendet. Nette Geste! Bis man merkt, dass bei United sogar Ersatztorwart Sergio Romero 100 Riesen verdient – pro Woche!

Dass 19-, 20-, 25-jährige Sportler ihren rich as fuck Teambossen vormachen müssen, wie Menschlichkeit geht: ein Armutszeugnis.

Corona? Und Schulden gibt’s gratis dazu!

Coronavirus. Das öffentliche Leben bleibt stehen. Für viele Kleinunternehmer, Selbstständige, Handwerker heißt das: fast vollständiger Einkommensverlust. Wie der SPIEGEL meldet, hat die Bundesregierung jetzt eine Lösung: ein Hilfspaket, geschnürt aus 40 Milliarden Euro.

Schreiner-Tommy, Elektrikerin-Sibel und die anderen, rund vier Millionen Selbstständige in Deutschland können also aufatmen, right?

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Das Hilfspaket kommt eher mit dem Motto „Deine Kunden sind krank? Hier, hast du auch noch Schulden“ daher. Denn von den 40 Milliarden, die der Staat in Kleinunternehmer mit bis zu zehn Mitarbeitern stecken will, sind wohl nur 10 Milliarden als Direkthilfe gedacht.

Die anderen 30 Milliarden? Kann man sich schön als Darlehen abholen. Olaf Scholz nennt das einen „Solidaritätstfonds“. Guter Joke, Olaf. Schreiner-Tommy darf seine Familie jetzt also mit geliehenem Geld ernähren. Die nächsten fünf Jahre zahlt er dann den Kredit wieder ab. Urlaub fällt dann halt mal wieder flach.

Aber Olaf Scholz & Co. dürfte das nicht interessieren. Die Politik heult lieber rum: „Jetzt geht unsere hart erkämpfte Schwarze Null flöten! Jetzt müssen wir wieder Schulden machen, wie ätzend!“

Right. Fühlt sich scheiße an, gell? Steht doch jetzt mal hinter eurem Volk! Was können kleine Selbstständige denn für die Coronakrise?

Und außerdem: Wäre jetzt nicht die Gelegenheit, mal etwas ausgefalleneres zu probieren? Ein kurzfristiges Grundeinkommen, so für drei Monate, zum Beispiel…

Schottland hat´s gecheckt

Vergangene Woche hat Schottland als erstes Land weltweit Hygieneartikel für Frauen kostenlos gemacht. In Apotheken, aber auch an Bahnhöfen oder in Jugendclubs gibt es Tampons, Binden oder Menstruationstassen jetzt umsonst.

In Deutschland gilt seit 1. Januar 2020 die neue sogenannte „Tamponsteuer“ – der Mehrwertsteuersatz wurde damit von 19 Prozent auf sieben Prozent gesenkt. Finanzminister Olaf Scholz ließ sich damit mächtig feiern – inklusive fancy hashtags und getaggten Promis.

Damit sind wir hierzulande auch auf dem richtigen Weg. Stimmt?

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Don’t get me wrong: 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Menstruationsartikel wie Tampons oder Binden (weil: Luxusartikel!): war eh völliger Quatsch. Und die Senkung auf sieben Prozent überfällig.

Die Maßnahme geht aber aus mehreren Gründen nicht weit genug:

  1. Warum nicht dem Beispiel von Schottland folgen? Dass eine Hälfte der Bevölkerung aus biologischen Gründen über ein Leben tausende Euros zusätzlich ausgeben muss, ist nicht richtig. Dass es auch noch die Hälfte der Bevölkerung ist, die in Deutschland laut Statistischem Bundestag immer noch 21 Prozent weniger verdient, ist ein hässliches, ironisches Problem für sich.
  2. Vor allem aber bringt auch die Steuersenkung nichts. Warum? Blame capitalism, baby. Wie Kolleginnen und Kollegen beim Berliner Tagesspiegel recherchiert haben, wälzen die Hersteller von Menstruationsprodukten die Steuersenkung einfach schamlos ab – auf den Handel. Johnson&Johnson zum Beispiel, Produzent von Marktführer „ob“: verlangt jetzt laut Lebensmittelzeitung einen Preis, der um einen zweistelligen Prozentsatz höher liegt als zuvor. Dass am Ende doch wieder die Käuferin den Aufschlag zahlen wird, liegt nahe.

Die Verteidigung der Hersteller ist übrigens: Preiserhöhung nicht wegen der Steuersenkung, sondern wegen erhöhter Qualität. Of course.

Pimp my Bundestag!

Deutschland hat zu viele Abgeordnete: Statt 598 (wie in §1 Bundeswahlgesetz festgelegt) hocken aktuell 709 Parlamentarier an der Spree. Warum? It’s the Überhangmandate, stupid. Kurz: Hat eine Partei mehr Direktmandate gewonnen als ihr nach Listenwahl zustehen, bekommt sie sogenannte Überhangmandate. Ist wie beim Bäcker um 17.30 Uhr: Buy one, get two free.

Also soll der Bundestag reformiert werden. Sagen alle: Regierung, Opposition, Bundestagspräsident. Oder?

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Die Wahlrechtsreform lässt auf sich warten. Ganz einfach: Die großen Jungs im Bundestag – I’m looking at you, CDU/CSU und SPD – haben daran gar kein Interesse. Die Regierungsparteien holen nämlich eine ganze Menge ihrer Abgeordneten über Direktmandate rein (SPD: 59. Und a whopping 231 bei CDU/CSU). Zur Verdeutlichung: In Bayern gewinnt die CSU seit Jahrtausenden (ehrlich) ALLE Direktmandate.

Aber Union und SPD geht es in den Umfragen grad mies. Würde heißen: Weniger Abgeordnete nach der nächsten Wahl. Bleibt der Bundestag jedoch groß (oder wächst sogar), lässt sich das gut auffangen. Und eine Menge Leute behalten ihre Jobs. Yay! Was würden diese Leute auch ohne ihr Mandat machen? Wieder als Anwalt arbeiten? Pah!

Außerdem – beim Bundestag selber rechnet niemand mit einer schnellen Reform: Die Bundestagsverwaltung baut gerade 400 zusätzliche Abgeordnetenbüros in Berlin-Mitte. Klar, die Büros sind provisorisch. Und auf 15 Jahre ausgelegt.

Dann kann die Reform des Wahlrechts ja 2035 kommen!

100% kein Ökostrom


Was ist passiert?

Im Twitter-Drama zwischen Greta Thunberg und der Deutschen Bahn ist eine Sache untergegangen: Die Bahn hat mal wieder mit ihrer „100% Ökostrom“-Keule um sich geschlagen.

Natürlich düst nicht nur Greta Thunberg mit Ökostrom durch die Republik. Seit Anfang 2018 fährt „jeder Reisende mit 100% Ökostrom“ – es ist ein Slogan, der einem auf Social Media und auf Plakaten ständig begegnet (seriously, schaut euch an eurem Bahnhof mal um) und den Bahn-Chef Richard Lutz auch nicht müde, zu betonen. Aber stimmt das?

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Der viel gelesene und mächtig zitierte Tweet, genau wie auch die Kampagne, lassen aber einiges außen vor.

  1. „Grün“ fährt man nur im Fernverkehr. Nah- und Güterverkehr sind in dieser „Bahnfahren ist Klimaschutz“-Kampagne nicht inbegriffen. Die Aussage „jeder Reisende“ führt also hinters Licht.
  2. Außerdem fährt auch nicht jeder ICE zwischen München und Berlin automatisch mit Ökostrom. Die Bahn rechnet am Ende des Jahres einfach, wie hoch der Strom-Anteil des Fernverkehrs am Gesamtstromverbrauch ist und kauft dann dementsprechend viel Ökostrom ein.
  3. Dank dieser „Ökostrom-Offensive“ ist der Anteil an Erneuerbaren Energien am Gesamtstrommix bei der Bahn auf 57,2 Prozent gestiegen (im Vergleich: 2017 – 44 Prozent; 2016 – 42 Prozent). Das bedeutet aber auch, dass ein großer Teil des Gesamtmixes noch aus dreckiger Quelle kommen. 2018 hieß das: 18,7 Prozent Steinkohle, 5,7 Prozent Braunkohle, 8,3 Prozent Erdgas. Dazu kommen 9,6 Prozent Kernenergie.