Ausländische Pflegekräfte – ein Triple Win?

Pflegekräfte können Engel sein, aber sie fallen nicht vom Himmel. Es gibt zu wenige Pflegekräfte in Deutschland. Derzeit fehlen schätzungsweise 40.000 Pflegekräfte in Krankenhäusern, Altenheimen und in der ambulanten Pflege. Arbeitgeber schauen sich ratlos um – Patienten letztlich ebenso. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat das Problem auf dem Schirm. Am 1.1.2019 trat sein „Sofortprogramm Pflege“ in Kraft. Sein Plan: Pflegekräfte sollten im Ausland angeheuert werden. Zusammen mit der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH) und der Agentur für Arbeit geht Spahn auf Werbetour für Pflegekräfte in Serbien, Bosnien und Herzegowina, Tunesien, Mexiko und auf den Philippinen. Das sei laut Gesundheitsministerium eine Win-Win-Win-Situation:
1. Fachkräfte könnten zu fairen Bedingungen in Deutschland arbeiten und leben
2. Die Arbeitslosigkeit in den Herkunftsländern sinke und diese profitierten von den Rücküberweisungen der Arbeitsmigranten
3, Kliniken und Pflegeeinrichtungen in Deutschland könnten offene Stellen mit qualifiziertem Personal besetzen.

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Die Hürden für ausländische Kräfte in Deutschland sind hoch. Anerkennungsverfahren der Ausbildungsabschlüsse, Arbeitserlaubnis, Deutschkenntnisse stellen für viele ein unüberwindbares Hindernis dar. Der Ausländeranteil von Pflegefachkräften liegt gerade einmal bei sechs Prozent. Ein Tropfen auf den heißen Stein.

Eine weitere Hürde sind die hohen Kosten für potenzielle Arbeitgeber: Rund 20.000 Euro pro Schwester und Pfleger müsste eine Klinik zahlen, um im Ausland Fachpflegekräfte anzuwerben. Meist wird die Suche durch eine Head-Hunter-Agentur durchgeführt, die Provisionen erhält, auch wenn der Transfer letztlich scheitert.

Zusätzlich nutzt Deutschland den Arbeitsmarkt von Entwicklungsländern aus. Wir haben eines der teuersten Gesundheitssysteme weltweit, müssen aber im globalen Süden nach Pflegefachkräften suchen, weil einheimische vor den Bedingungen kapitulierten. Arbeitsmigration sorgt in den Herkunftsländern für einen Braindrain. Statt Geld ins heimische Pflegesystem zu investieren, nimmt Deutschland lieber ausländischen Arbeitsmärkten die Fachkräfte weg.

Und wenn die Pflegekräfte dann den bürokratischen Wahnsinn gemeistert haben und in deutschen Pflegeeinrichtungen arbeiten, werden sie es nicht lange aushalten. Der Grund für den Mangel sind primär die prekären Arbeitsbedingungen: Körperliche und psychische Belastung durch Arbeitsverdichtung, Personalmangel, ständige Verfügbarkeit und das bei Pflegemindestlohn von 10,55 Euro (Westdeutschland). Bei dieser Bezahlung können sich Pflegekräfte die Mieten in deutschen Ballungsräumen nicht leisten. Wir müssten also erst mal die Arbeitsbedingungen und die Vergütung verbessern, bevor wir ausländisches Personal in deutschen Pflegeanstalten verschleißen. Die werden sich nämlich unter den aktuellen Umständen zeitnah nach einem anderen Berufsfeld in Deutschland umschauen, oder die Tasche packen und frustriert ins Herkunftsland zurückgehen.

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