Frisst Corona unsere Solidarität?

Eigentlich will Deutschland Flüchtlingskinder von den griechischen Inseln aufnehmen. 1 000 bis 1 500 sollen aus den Camps rausgeholt werden. So steht es in einem Kabinettsbeschluss.

Aber das war vergangenen Montag. Als man noch in Museen und Bars gehen konnte. Weil noch kein Corona-Ausnahmezustand in Europa herrschte.

Jetzt wäre es Wahnsinn, auch noch Flüchtlinge aufzunehmen, oder?

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Gerade wegen des Virus müssen die Menschen aus den Lagern herausgeholt werden. Auf Lesbos und Co. leben zurzeit mehr als 42 000 Flüchtlinge. Obwohl die Camps dort mal für 6 000 Menschen geplant wurden. 6 000! Nicht 42 000 – zweiundvierzig-fucking-tausend – Menschen auf engstem Raum, ohne ausreichende sanitären Anlagen oder medizinische Versorgung.

Und das, während ein hochansteckendes, potentiell tödliches, Virus grassiert? Ja genau. „Ärzte ohne Grenzen“ schreibt, die Lager seien ein „idealer Nährboden für COVID-19“. Bei einem Ausbruch des Virus in einem Lager sei es unmöglich, die Krankheit einzudämmen.

Vergangene Woche hat sich ein Bündnis aus 140 Städten bereit erklärt, Kinder aus den Lagern aufzunehmen. Kleines Rechenspiel: Würde man – wie beschlossen – 1 500 auf diese Städte verteilen: Das wären rund zehn Menschen für jede Stadt. 10! Nur spricht davon keiner mehr.

Weil in Europa Grenzen dicht machen und Ausgangssperren verhängt werden. Weil wir anscheinend all unsere Solidarität schon brauchen, um andere nicht anzuhusten und für Oma einkaufen zu gehen.

Nur: die Situation in Griechenland ist deswegen nicht verschwunden. Und sie kann noch so viel schlimmer werden.

Schottland hat´s gecheckt

Vergangene Woche hat Schottland als erstes Land weltweit Hygieneartikel für Frauen kostenlos gemacht. In Apotheken, aber auch an Bahnhöfen oder in Jugendclubs gibt es Tampons, Binden oder Menstruationstassen jetzt umsonst.

In Deutschland gilt seit 1. Januar 2020 die neue sogenannte „Tamponsteuer“ – der Mehrwertsteuersatz wurde damit von 19 Prozent auf sieben Prozent gesenkt. Finanzminister Olaf Scholz ließ sich damit mächtig feiern – inklusive fancy hashtags und getaggten Promis.

Damit sind wir hierzulande auch auf dem richtigen Weg. Stimmt?

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Don’t get me wrong: 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Menstruationsartikel wie Tampons oder Binden (weil: Luxusartikel!): war eh völliger Quatsch. Und die Senkung auf sieben Prozent überfällig.

Die Maßnahme geht aber aus mehreren Gründen nicht weit genug:

  1. Warum nicht dem Beispiel von Schottland folgen? Dass eine Hälfte der Bevölkerung aus biologischen Gründen über ein Leben tausende Euros zusätzlich ausgeben muss, ist nicht richtig. Dass es auch noch die Hälfte der Bevölkerung ist, die in Deutschland laut Statistischem Bundestag immer noch 21 Prozent weniger verdient, ist ein hässliches, ironisches Problem für sich.
  2. Vor allem aber bringt auch die Steuersenkung nichts. Warum? Blame capitalism, baby. Wie Kolleginnen und Kollegen beim Berliner Tagesspiegel recherchiert haben, wälzen die Hersteller von Menstruationsprodukten die Steuersenkung einfach schamlos ab – auf den Handel. Johnson&Johnson zum Beispiel, Produzent von Marktführer „ob“: verlangt jetzt laut Lebensmittelzeitung einen Preis, der um einen zweistelligen Prozentsatz höher liegt als zuvor. Dass am Ende doch wieder die Käuferin den Aufschlag zahlen wird, liegt nahe.

Die Verteidigung der Hersteller ist übrigens: Preiserhöhung nicht wegen der Steuersenkung, sondern wegen erhöhter Qualität. Of course.

Menschen als Faustpfand

Die Türkei hat vergangene Woche groß verkündet, dass sie die Grenzen nach Griechenland nicht mehr geschlossen hält. Im türkischen Fernsehen wurde gesagt, der Weg sei frei, die Grenzen offen. Tausende verzweifelte Menschen haben sich auf den Weg gemacht und übernachten jetzt auf freiem Feld an der griechischen Grenze, weil die eben nicht offen ist.

Die griechische Armee hält in der Nähe Schießübungen ab, nimmt Menschen die es doch schaffen fest, schlägt sie und schickt sie wieder zurück in die Türkei.

Erdogan wollte mit seinem Move eine NATO-Unterstützung in Syrien erzwingen und hat darauf gesetzt, dass es in Europa noch moralische Integrität gibt.

Aber gibt es die noch?

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Und zwar schon lange nicht mehr. Schon 2016 ging die EU, allen voran Deutschland einen dreckigen Deal mit der Türkei ein. Die Grenzen zur EU sollten dicht gemacht werden und die Türkei nimmt jeden illegal in den Schengenraum geflüchteten Menschen zurück.

Dafür bekommt die Türkei Geld und es sollte möglich sein, dass syrische und irakische Geflüchtete direkt von der Türkei in der EU verteilt werden.

Das ist nie passiert. Zwar hat die Türkei die Grenzen bewacht, konnte aber nicht verhindern, dass die Menschen sich trotzdem in Schlauchbooten auf den Weg zu griechischen Inseln gemacht haben. Auch im Grenzfluss Mariza/Evros ertranken viele Menschen.

Gleichzeitig haben Ungarn und Österreich mit eiserner Hand die Balkanroute geschlossen. Ich erinnere mich an Bilder von Geflüchteten, die sich im Winter in Ölfässern gewaschen haben.

Die EU hätte die Chance gehabt auf Erdogans Erpressung mit einem Akt der Menschlichkeit zu reagieren. Die Grenzen zu Öffnen und die Menschen auf einem Stück Griechenland zumindest mit Zelten und Decken zu versorgen. Das wären Bilder gewesen, mit denen Erdogan nicht gerechnet hätte.

Stattdessen fliegt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der (ähm) Leyen die Grenze entlang, lässt 700 Millionen Euro regnen und spricht dann von einem „europäischen Schild“, als seien es die Geflüchteten, die man abwehren müsste. Und nicht die Despoten, die Krieg führen und die Menschen erst zur Flucht zwingen. Looking at you: Erdogan!

Nur weil etwas schon immer scheiße war, muss es nicht so bleiben – verbietet endlich das N-Wort!

Vor wenigen Tagen erst kursierte auf Instagram ein Video, in dem zwei ältere, weiße Herren bei einer casual Unterhaltung zu sehen waren, in der wohl mehrfach das N-Wort fiel. Im Beisein einer schwarzen Person. Offenbar gingen die Herren davon aus, dass er kein Deutsch versteht. Oder aber – und dieser Verdacht verschärfte sich im Laufe des Videos – es war ihnen schlichtweg egal, ob er sie versteht. Das N-Wort sei schließlich schon immer gesagt worden und habe eh nie eine beleidigende Konnotation gehabt, entgegnen die Herren auf die Erklärungsversuche, warum, in fact, das Gegenteil der Fall ist.

Abgesehen davon, dass „wir haben das schon immer so gemacht, also bleibt das so“ das sinnentleerteste Argument aller Zeiten ist, liegt das Hauptproblem dieser Haltung in der kompletten Leugnung der Lebensrealität (und der historischen Realität sowieso) schwarzer Menschen. Das N-Wort ist Gewalt, auch wenn seine Verletzungen keine sichtbaren Spuren hinterlassen. Und es obliegt nicht dem Schläger, zu beurteilen, ob seine Taten weh tun oder nicht.

Es ist mehr als Zeit, dieses Wort genauso zu behandeln wie andere Gewalttaten: Es muss verboten werden. Etwas, woran das Landesverfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern in Greifswald Ende letzten Jahres scheiterte.

Auslöser war der AfD-Landtagsfraktionschef Nikolaus Kramer gewesen, der während einer Landtagssitzung das Wort mehrfach verwendet und dafür (nachträglich!) einen Ordnungsruf erhalten hatte. Grund genug für ihn, zu klagen,schließlich sei sein „Rederecht verletzt worden“. Wie gesagt: Der Ordnungsruf war Wochen nach dem Vorfall rückwirkend erteilt worden. Und Kramer bekam Recht zugesprochen. Absurder wird’s kaum mehr.

Ist das gerecht?

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Wie Moderatorin Aminata Belli auch gegenüber actually.not erklärte: „Jedes Mal, wenn jemand dieses Wort sagt, schmerzt es in meinem Körper. Da ist eine kleine Wunde, in die immer wieder reingestochen wird und die leider nicht heilen kann.“

Schwarze Menschen müssen gehört und verstanden werden – um heilen zu können.

Was kann man also tun? Vieles. Zum Beispiel könnt ihr die Petition „Rechtliche Anerkennung, dass der Begriff ‚Neger‘ rassistisch ist!“ unterschreiben, zu deren Unterstützer/innen unter anderem auch Aminata zählt. Geht am Samstag den 29.02 auf die Demonstration vor dem Landgericht Hamburg.

Und fast noch wichtiger: Schreitet ein, wenn in eurem Beisein das Wort benutzt wird. Klärt die Menschen auf, immer und immer wieder. Gewährt Rassismus und jeglichen anderen Gewalttaten keinen Millimeter Raum in eurem Beisein. Und vor allem: Hört den Menschen zu, die betroffen sind. Ihnen gilt all euer Verständnis.

Auf BILD seinen Nacken gegen den Rassismus – really?

Am vergangenen Samstag fand die alljährliche Berlinale-Party der BILD-Zeitung (@placetob) statt. Champagnertrinken auf Julian Reichelt seinen Nacken für gute Kontakte, Jobs und am wichtigsten: die Gunst der mächtigsten Tageszeitung des Landes. Pater-Noster-Metapher, ihr wisst. Same procedure as every year. Doch dieses Jahr war es anders.

Kurz nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau, bei dem zehn Menschen ermordet wurden, mit jener sehr mächtigen Tageszeitung zu feiern, die die letzten Jahre ein Klima erzeugt hat in dem Muslime, Flüchtlinge und Arme dämonisiert und kriminalisiert werden, fühlte sich für viele falsch an. Boykottaufrufe wurden laut, einige Influencer, Schauspieler und andere Prominente blieben der Party fern. Viele aber kamen trotzdem. Ihre Gründe sind nachvollziehbar, Pater-Noster-Metapher, ihr wisst. Und darum geht es hier heute auch nicht.

Hier geht nicht um jene, die sich nicht trauten, einfach mal die BILD-Party zu schwänzen, sondern um jene, die meinten, GERADE hinzugehen wäre doch das bessere Statement. GERADE vor Ort mit der Springer-Presse zu diskutieren, ein Pappschild hochzuhalten, auf dem #noracism gefordert wird, das sei doch das viel größere Zeichen und überhaupt – Boykottaufrufe, DAS ist die wAhRE HeTzE.

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Die BILD-Zeitung hat keine politische Agenda. Oder besser formuliert: Die einzige politische Agenda, die man im Springer-Turm verfolgt, ist Auflage. Was sich verkauft, wird gedruckt. Wenn Rechtsruck, Islamfeindlichkeit und Klassizismus gerade trendet, dann macht man eben mit der Dämonisierung von Shisha-Cafés, „Messer-Moslems“ und „Luxus-Hartzern“ seine Schlagzeilen. Wenn gerade ein „geistig verwirrter“ Rassist zehn Leute ermordet hat, dann eben mit Trauerbekundungen um jene Leute, die man in den Jahren zuvor erbarmungslos verfolgt hat.

Ergo ist es der BILD auch scheißegal, ob ihr ein #noracism Schild vor der Fotoleinwand hochhaltet – denn sie druckt es einfach nicht. Stattdessen werben sie danach mit den Gesichtern der Promis in eigener Sache, wie „bunt“ die diesjährige Party doch gewesen sei und waschen sich selbst rein. Und Julian Reichelt wischt sich mit einem Stack lila Scheine die Lachtränen aus den Augenwinkeln.

2020 müsste das beliebte Zitat der Friedensbewegung, „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ ein Update bekommen. Stell dir vor, es ist BILD-Party und keiner geht hin.

DAS wäre ein Zeichen gewesen.

Pimp my Bundestag!

Deutschland hat zu viele Abgeordnete: Statt 598 (wie in §1 Bundeswahlgesetz festgelegt) hocken aktuell 709 Parlamentarier an der Spree. Warum? It’s the Überhangmandate, stupid. Kurz: Hat eine Partei mehr Direktmandate gewonnen als ihr nach Listenwahl zustehen, bekommt sie sogenannte Überhangmandate. Ist wie beim Bäcker um 17.30 Uhr: Buy one, get two free.

Also soll der Bundestag reformiert werden. Sagen alle: Regierung, Opposition, Bundestagspräsident. Oder?

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Die Wahlrechtsreform lässt auf sich warten. Ganz einfach: Die großen Jungs im Bundestag – I’m looking at you, CDU/CSU und SPD – haben daran gar kein Interesse. Die Regierungsparteien holen nämlich eine ganze Menge ihrer Abgeordneten über Direktmandate rein (SPD: 59. Und a whopping 231 bei CDU/CSU). Zur Verdeutlichung: In Bayern gewinnt die CSU seit Jahrtausenden (ehrlich) ALLE Direktmandate.

Aber Union und SPD geht es in den Umfragen grad mies. Würde heißen: Weniger Abgeordnete nach der nächsten Wahl. Bleibt der Bundestag jedoch groß (oder wächst sogar), lässt sich das gut auffangen. Und eine Menge Leute behalten ihre Jobs. Yay! Was würden diese Leute auch ohne ihr Mandat machen? Wieder als Anwalt arbeiten? Pah!

Außerdem – beim Bundestag selber rechnet niemand mit einer schnellen Reform: Die Bundestagsverwaltung baut gerade 400 zusätzliche Abgeordnetenbüros in Berlin-Mitte. Klar, die Büros sind provisorisch. Und auf 15 Jahre ausgelegt.

Dann kann die Reform des Wahlrechts ja 2035 kommen!

Corona – effizientes Vorgehen vorgetäuscht

Wenn wir jetzt alle mal drüber hinweg sind, dass das chinesische Lungenvirus wie eine Biermarke heißt, die sich besser schnell umbenennen sollte, und wir alle rassistischen Witze hinter uns lassen, die gerade durchs Internet fegen, dann bleibt da noch der Glaube: Die Chinesen sind wirklich effizient im Kampf gegen das Coronavirus. Da wird eine Millionenstadt in Quarantäne versetzt. Das Militär steigt in martialisch wirkenden Schutzanzügen für Propagandaaufnahmen aus Flugzeugen aus.

Und ach ja. Die 2 Krankenhäuser in Wuhan, die die chinesische Regierung mit vielen Baggern gleichzeitig baut und die Anfang Februar fertig sein sollen. Der WHO-Präsident Tedros Adhanom Ghebreyesus lobt Chinas Umgang mit dem Virus. Es habe einen „neuen Standard gesetzt“. Doch ist die chinesische Regierung wirklich so effizient?

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Am 8. Dezember wurde der erste Fall in Wuhan festgestellt. Am 30. Dezember schickt die Regierung ein Team von Experten in die Stadt um zu ermitteln was das für eine ominöse Krankheit ist. Am 8. Januar hat die Regierung acht Menschen festgenommen, weil sie über das Virus gesprochen haben. Am 11. Januar wurde der erste Todesfall berichtet. Medienvertreter, die darüber berichteten wurden festgenommen und ihre Telefone wurden durchsucht. Am 18. Januar fand ein Bankett statt, bei dem die Stadt den Weltrekord in Vielfressen aufstellen wollte. 40.000 Familien nahmen daran teil. Das chinesische Neujahrsfest feiert auch Wuhan am 21. Januar. Mehrere Künstler die auftreten sollten, meldeten sich krank. Einen Tag später muss jeder Bewohner der Stadt eine Maske tragen. Wieder einen Tag später verhängt die Regierung die Ausgangssperre. Da sind aber schon 5 Millionen Menschen geflohen. Die Reisezeit der Chinesen nach dem Neujahrsfest hatte schon begonnen. 300 Millionen Chinesen machen Urlaub und reisen.

Wenn die chinesische Regierung nicht damit beschäftigt gewesen wäre die Gerüchte über eine Krankheit im Keim zu ersticken, indem sie wahllos Menschen festnimmt, sondern die Bekämpfung der Krankheit angepackt hätte, wären weit weniger Menschen gestorben und nicht im Rest der Welt hunderte Fälle bekannt. Dafür muss man vielleicht mal sein Neujahrsfest absagen und auf einen Weltrekord verzichten. Und ganz nebenbei wären uns die ganzen rassistischen Äußerungen über hustende Asiaten erspart geblieben. Das bringt mich nämlich extra auf die Palme.

Quellen: NYTimes, Laowhy86

Ausländische Pflegekräfte – ein Triple Win?

Pflegekräfte können Engel sein, aber sie fallen nicht vom Himmel. Es gibt zu wenige Pflegekräfte in Deutschland. Derzeit fehlen schätzungsweise 40.000 Pflegekräfte in Krankenhäusern, Altenheimen und in der ambulanten Pflege. Arbeitgeber schauen sich ratlos um – Patienten letztlich ebenso. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat das Problem auf dem Schirm. Am 1.1.2019 trat sein „Sofortprogramm Pflege“ in Kraft. Sein Plan: Pflegekräfte sollten im Ausland angeheuert werden. Zusammen mit der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH) und der Agentur für Arbeit geht Spahn auf Werbetour für Pflegekräfte in Serbien, Bosnien und Herzegowina, Tunesien, Mexiko und auf den Philippinen. Das sei laut Gesundheitsministerium eine Win-Win-Win-Situation:
1. Fachkräfte könnten zu fairen Bedingungen in Deutschland arbeiten und leben
2. Die Arbeitslosigkeit in den Herkunftsländern sinke und diese profitierten von den Rücküberweisungen der Arbeitsmigranten
3, Kliniken und Pflegeeinrichtungen in Deutschland könnten offene Stellen mit qualifiziertem Personal besetzen.

Endgeil – Omma Kawuttke im Altenheim schreit Bingo, oder?

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Die Hürden für ausländische Kräfte in Deutschland sind hoch. Anerkennungsverfahren der Ausbildungsabschlüsse, Arbeitserlaubnis, Deutschkenntnisse stellen für viele ein unüberwindbares Hindernis dar. Der Ausländeranteil von Pflegefachkräften liegt gerade einmal bei sechs Prozent. Ein Tropfen auf den heißen Stein.

Eine weitere Hürde sind die hohen Kosten für potenzielle Arbeitgeber: Rund 20.000 Euro pro Schwester und Pfleger müsste eine Klinik zahlen, um im Ausland Fachpflegekräfte anzuwerben. Meist wird die Suche durch eine Head-Hunter-Agentur durchgeführt, die Provisionen erhält, auch wenn der Transfer letztlich scheitert.

Zusätzlich nutzt Deutschland den Arbeitsmarkt von Entwicklungsländern aus. Wir haben eines der teuersten Gesundheitssysteme weltweit, müssen aber im globalen Süden nach Pflegefachkräften suchen, weil einheimische vor den Bedingungen kapitulierten. Arbeitsmigration sorgt in den Herkunftsländern für einen Braindrain. Statt Geld ins heimische Pflegesystem zu investieren, nimmt Deutschland lieber ausländischen Arbeitsmärkten die Fachkräfte weg.

Und wenn die Pflegekräfte dann den bürokratischen Wahnsinn gemeistert haben und in deutschen Pflegeeinrichtungen arbeiten, werden sie es nicht lange aushalten. Der Grund für den Mangel sind primär die prekären Arbeitsbedingungen: Körperliche und psychische Belastung durch Arbeitsverdichtung, Personalmangel, ständige Verfügbarkeit und das bei Pflegemindestlohn von 10,55 Euro (Westdeutschland). Bei dieser Bezahlung können sich Pflegekräfte die Mieten in deutschen Ballungsräumen nicht leisten. Wir müssten also erst mal die Arbeitsbedingungen und die Vergütung verbessern, bevor wir ausländisches Personal in deutschen Pflegeanstalten verschleißen. Die werden sich nämlich unter den aktuellen Umständen zeitnah nach einem anderen Berufsfeld in Deutschland umschauen, oder die Tasche packen und frustriert ins Herkunftsland zurückgehen.

Abzug aus Irak?

Was ist passiert?

Quasim Soleimani, der General und Anführer der Al-Quds Brigaden wurde durch einen Drohnenangriff der USA in Bagdad getötet. Dieser Angriff gilt als Antwort auf die mutmaßlich von Iran gesteuerten Proteste und Angriffe auf die US-Botschaft in Bagdad. Aus dem Iran kommen neue Drohungen und führende religiöse Führer geben alle US-Militäreinrichtungen im nahen Osten als mögliche Ziele aus. Das macht Angst. Und die Bundeswehr hat zum Schutz der deutschen Soldat*innen ihre Ausbildungsmission im Irak sofort gestoppt. Für kommenden Mittwoch (08.01.2020) schlägt die Linke eine Sondersitzung der Bundestagsausschüsse für Auswärtiges und Verteidigung vor. Jetzt entbrennt die Debatte, ob alle deutschen Soldat*innen aus dem Irak abgezogen werden sollen. Die Bundeswehrsoldat*innen sind also alle in Gefahr. Stimmt das?

Bundeswehrsoldat und irakischer Soldat entschärfen IED

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Für die Mission in Irak und Syrien (Counter-Daesh) stellt die Bundeswehr 415 Soldaten. Der Einsatz teilt sich in zwei Hauptaufgaben: Die Luftaufklärung durch Tornado-Flugzeuge mit dem Stützpunkt Al-Asrak in Jordanien mit 280 Soldat*innen. Und die Ausbildungsmission im Irak, die jetzt auf Eis gelegt ist. Von den knapp 140 Soldat*innen im Irak sind der Großteil (90 Personen) in Erbil stationiert, wo sie nicht irakische Sicherheitskräfte ausbilden, sondern Soldaten der Peschmerga der kurdischen Regionalregierung im Nordirak. Im Mandat des Bundestags Drucksache 19/13290 heißt es aber, „Maßnahmen des Fähigkeitsaufbaus für die regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte mit Fokus auf die zentralirakischen Streitkräfte“. In Gefahr sind jetzt genau die 27 Soldat*innen, die in Tadschi nahe Bagdad stationiert sind, sowie 5 weitere Soldat*innen direkt in Bagdad. Sie arbeiten mit zentralirakischen Sicherheitskräften zusammen, die jetzt, auch durch die jüngsten Proteste womöglich nicht mehr als Verbündete gelten könnten. Dazu hat das irakische Parlament beschlossen, dass alle ausländischen Truppen das Land verlassen sollen.

100% kein Ökostrom


Was ist passiert?

Im Twitter-Drama zwischen Greta Thunberg und der Deutschen Bahn ist eine Sache untergegangen: Die Bahn hat mal wieder mit ihrer „100% Ökostrom“-Keule um sich geschlagen.

Natürlich düst nicht nur Greta Thunberg mit Ökostrom durch die Republik. Seit Anfang 2018 fährt „jeder Reisende mit 100% Ökostrom“ – es ist ein Slogan, der einem auf Social Media und auf Plakaten ständig begegnet (seriously, schaut euch an eurem Bahnhof mal um) und den Bahn-Chef Richard Lutz auch nicht müde, zu betonen. Aber stimmt das?

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Der viel gelesene und mächtig zitierte Tweet, genau wie auch die Kampagne, lassen aber einiges außen vor.

  1. „Grün“ fährt man nur im Fernverkehr. Nah- und Güterverkehr sind in dieser „Bahnfahren ist Klimaschutz“-Kampagne nicht inbegriffen. Die Aussage „jeder Reisende“ führt also hinters Licht.
  2. Außerdem fährt auch nicht jeder ICE zwischen München und Berlin automatisch mit Ökostrom. Die Bahn rechnet am Ende des Jahres einfach, wie hoch der Strom-Anteil des Fernverkehrs am Gesamtstromverbrauch ist und kauft dann dementsprechend viel Ökostrom ein.
  3. Dank dieser „Ökostrom-Offensive“ ist der Anteil an Erneuerbaren Energien am Gesamtstrommix bei der Bahn auf 57,2 Prozent gestiegen (im Vergleich: 2017 – 44 Prozent; 2016 – 42 Prozent). Das bedeutet aber auch, dass ein großer Teil des Gesamtmixes noch aus dreckiger Quelle kommen. 2018 hieß das: 18,7 Prozent Steinkohle, 5,7 Prozent Braunkohle, 8,3 Prozent Erdgas. Dazu kommen 9,6 Prozent Kernenergie.